Badische Zeitung - 09.03.2016 - LAHR. Wer Marco-Sharif Khan sucht, muss nur der Musik folgen. Sie führt in einen Keller auf dem Gelände des ZeitAreals, den der
Mann mit dem besonderen Namen zusammen mit drei Freunden zu einem beeindruckenden Musikstudio umgebaut hat. Keyboards, Mikros, Akustik- und E-Gitarren – davon gibt es in den geschmackvoll
gestalteten Räumen so viele, dass man kaum glauben mag, dass sie alle aus Khans Privatbesitz stammen.
Das Studio ist der Proberaum des Jugendmusikwerks Baden, dessen Gründer und Vorsitzender Khan ist. Ziel des Vereins ist es, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, Musik zu machen und in einer
Band zu spielen. "Ganz egal, ob sie ein Instrument beherrschen oder nicht", sagt Khan. "In jedem steckt ein Talent und wir kitzeln es heraus", ist er überzeugt.
Die Band, deren Musik aus dem Studio schallt, besteht aus vier Jugendlichen. Khan spielt auf der E-Gitarre mit. Er pfeift, tippt mit dem Fuß im Takt, stoppt zwischendurch, um mit dem Plektrum im
Mundwinkel die Einstellungen des Keyboards zu verbessern. Ein Vollblutmusiker in einem Studio voller Herzblut, wie er selbst sagt.
Doch der 35-jährige Lahrer ist nicht nur Musiker. "Ich bin ein Industriemensch", beschreibt er sich. Als Prokurist der Druckerei Dreyspring ist er ein erfolgreicher Geschäftsmann mit einer 50-
Stunden-Woche. Im Job und als Chef bezeichnet er sich als "hart, aber fair". Seine Arbeit führt ihn an viele Orte, nach Berlin und Hamburg beispielsweise, und bringt ihn mit vielen Menschen
zusammen.
Khans Kindheit hätte nicht unbedingt eine solche Karriere vermuten lassen. Khan kann sich nur an eine einzige Begegnung mit seinem "Erzeuger", wie er ihn nennt, erinnern. Von ihm hat Khan den
persischen Teil seines Namens – sein Vater kommt ursprünglich aus Pakistan. Seine Mutter arbeitete Schicht in einer Fabrik und hatte nicht viel Zeit. Khan erzählt das alles ganz sachlich. Er ist
kein Mensch, der sich beschwert oder benachteiligt fühlt – im Gegenteil, das scheint ihm noch nie in den Sinn gekommen zu sein. "Jeder ist seines Glückes Schmied", sagt er. Bis zur siebten Klasse
hatte Khan schlechte Noten. "Und plötzlich hat es Klick gemacht. Ich habe verstanden, dass Schule und Bildung sehr wichtig sind", erinnert er sich.
Das will er auch den jungen Menschen beim Jugendmusikwerk vermitteln: "Wir hatten schon Proben, da gab es gar keine Musik, da haben wir nur Mathe gelernt, weil am nächsten Tag eine Arbeit
anstand." Obwohl es eigentlich um ihn geht, schweift Khan oft ab, erzählt von den Jugendlichen, die er auf ihrem Lebensweg begleitet. Sie sind Teil seines Lebens. Da ist der junge Mann, der durch
das Jugendmusikwerk seinen Berufstraum gefunden hat. Dank eines Ziels vor Augen verbesserten sich seine schulischen Leistungen um drei Noten und nun macht er die angestrebte Ausbildung zum
Veranstaltungstechniker. "Ich bin ein ehrenamtlicher Sozialarbeiter", sagt Khan.
An den Wänden in einem der drei Studioräume hängen vor allem Bilder der Bands des Jugendmusikwerks, zu jedem hat Khan etwas zu erzählen. "Wir sind hier eine Familie", sagt er. Diese Idylle musste
Khan sich langsam wieder aufbauen – vor ein paar Jahren war sie beinahe zerstört. Damals leitete Khan die Friesenheimer Schulband. Bei einem Wasserschaden wurde der gesamte Proberaum zerstört.
Sein erstes Instrument, eine Heimorgel, Eigenkompositionen, Erinnerungen, jahrelange Arbeit – alles war zerstört.
"Da kam ich an meine Grenzen, ich war kraftlos", erinnert er sich. Die Schulband-Mitglieder baten ihn darum, weiterzumachen. Also beschloss er: "Ich suche neue Räume." Und so kam es, dass er das
Jugendmusikwerk auf die Beine stellte.
"Ich habe die aktive Zeit auf der Bühne gegen die Arbeit im Hintergrund eingetauscht. Ich unterstütze jetzt die jungen Bands", sagt er. Im Laufe des Gesprächs erwähnt er jedoch nebenbei, dass er
gemeinsam mit der Band "Remoods" aus Offenburg nach Los Angeles zum "World’s Best Song Contest" eingeladen wurde.
Wie dieser Mann Musiker, Geschäftsmann und Sozialarbeiter in einem sein und gleichzeitig noch ein Privatleben führen kann? "Ich schlafe fünf bis sechs Stunden am Tag", erklärt der. Erschöpft sei
er deswegen nicht. "Man muss sich zwischendurch eben entspannen. Das Gespräch, das wir gerade führen, ist doch auch Entspannung", findet er.
Genau genommen ist Khan auch ein Veranstalter, auch dieses Jahr hat er noch einiges vor. Dabei denkt er auch daran, wie er dabei etwas Gutes bewirken kann. "Ich plane einen Song mit Video zur
Verkehrssicherheit und ein Konzert, bei dem man Blut spenden kann." Außerdem will eine Band mit Flüchtlingen gründen.
Fragt man ihn nach den Höhepunkten seines Lebens, fällt ihm nicht sofort etwas ein. Dann sagt er: "Jeder Tag ist ein Höhepunkt. Jeden Morgen mache ich das Fenster auf, freue mich über mein Leben
und sage mir: Das wird mein Tag."
Quelle: http://www.badische-zeitung.de/lahr/in-jedem-steckt-ein-talent